„Es ist das Leben auf Erden, ein Wandel durch ein tiefes Tal. Drüben sind Höhen, die an der Sonne liegen, und nicht Mond noch Sterne kennen. Alle gehen wir dieselbe Straße, und einer wartet auf den anderen. Es ist ein Tal der Tränen, ein steiniger Weg, der zu den Höhen führt. Das Leben in seiner Unerbittlichkeit, geht draußen weiter. Hin und wieder dringt der Lärm der Welt in meine Stille. Wie unter einer gläsernen Glocke, erscheinen mir die Bilder der Welt verzerrt, das Gesicht des Menschen entstellt, ohne Güte sein Lächeln. Nur nachts, wenn ich ruhelos Zeit finde, hinauf zu schauen in die ewigen Räume, kommt tröstender Friede herab aus Sternenwelten. Jetzt, da der Abstand von den Feuernächten grösser geworden ist, kommt uns eigentlich zum Bewusstsein, was uns genommen, was uns fehlt. Die Weihnachtsstuben der Kindheit finden wir nicht mehr. Das Auge, des Sehens bedürftig, hat hier kein Ziel mehr, ein Glück noch, dass der erinnernde Sinn, lebendig geblieben ist. Kein kleines Geschenk ist das – Erinnerung! Alles Erinnern ist Schmerz und Labsal zugleich, alles ist Flucht und kann doch eine Quelle sein, da die Wasser zurückfließen und das neue Land erquicken. Man muss vielleicht wissen, ob man es sich antun darf, dass man gedenkt. So halte man sich denn hin, und empfange den Schmerz und das Labsal. Zuweilen mag es sein, dass beide ineinanderfließen, der Schmerz wird zum Geschenk, die Tränen zum Glück. Jeder Schmerz bringt uns ja heute, nicht nur das Bewusstsein vom strengen und armen Heute, und vom verlorenen Paradies, er bringt uns doch die Erinnerung an unseren eigentlichen Rang, an das Wesentliche und an das Wesen der Dinge.“
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